Die Sopranistin Christina Landshamer und die Akademie für Alte Musik Berlin begeistern mit Mozart, Gluck, Haydn und Telemann nicht nur das Ü60-Publikum. Ein Bericht von Moritz.

„Sie senken ja den Altersdurchschnitt ganz gewaltig“ – das war der erste Satz, den ich hörte, nur wenige Sekunden, nachdem ich mich gesetzt hatte. Er kam von einem netten älteren Herrn links neben mir, mit dem ich mich auch im Anschluss noch unterhielt. Er ist katholischer Priester im Ruhestand. Und er hatte wohl recht: Neben einigen, wenigen Studierenden war ich wahrscheinlich der Jüngste im Raum, der Altersdurchschnitt lag sicherlich deutlich über Mitte 50. Die Vermutung einiger Freunde, dass in klassischen Konzerten nur alte Leute sitzen, schien sich also zu bestätigen.

Beeindruckender Saal

Der Ort des Konzertes war der Kleine Goldene Saal, nur wenige Minuten vom Augsburger Dom entfernt. Ein beeindruckender Ort für Veranstaltungen, der wahrscheinlich auch deswegen für die Eröffnungsveranstaltung des Augsburger Mozartfestes 2023 gewählt worden war. Der schnörkelige, golden verzierte, barocke Saal war das erste, was jeden Besuchenden des Konzerts sofort in den Bann zog. Das stellte ich schon bei mir selbst fest: Während ich noch mein Ticket anschaute, um herauszufinden, wo sich mein Platz befindet, bog ich um die Ecke in den Saal ein. Sofort zog der Saal sowohl meinen als auch den Blick weiterer Gäste auf sich, die um mich herum am Eingang standen.

Ein tanzendes, schwungvolles Ensemble

Noch beeindruckender als die Räumlichkeit war aber das Konzert selbst: Unter dem Titel „1765“ wurden lauter Kompositionen präsentiert, die in diesem Jahr entstanden. Der Abend begann mit der „1. Sinfonie in Es Dur“ von Wolfgang Amadeus Mozart, die er im Alter von acht Jahren komponierte. Das Orchester, die „Akademie für alte Musik Berlin“, präsentierte dieses – und alle weiteren Stücke, darunter Joseph Haydns „Sinfonie Nr. 28“ – mit einer Hingabe und Dynamik, die bemerkenswert war. Die Freude an der Musik merkte man jedem Musiker und jeder Musikerin an, sie wiegten sich zur Musik hin und her, vor und zurück, was sicher auch dadurch begünstigt wurde, dass sie, bis auf die Cellist*innen und die Cembalistin, alle im Stehen spielten. Zusammen mit der Musik wirkte das gesamte Orchester wie eine tanzende, schwungvolle, musikalische Einheit, mit einer Hingabe und Begeisterung für die Werke, die auch auf das Publikum übersprangen.

Überwältigende Solistin

Die feinen Nuancen, die die einzelnen Stücke in ihrer Stimmung ausmachten, wurden im Laufe des Konzertes von Sängerin Christina Landshamer weiter herausgearbeitet, die in einer Arie Christoph Willibald Glucks aus der Oper „Telemaco“ und in der Kantate „Ino“ von Georg Philipp Telemann die Rolle der Protagonistin übernahm.

Die Stimme der Sängerin war überwältigend. Es erscheint mir immer wieder als ein Wunder, wie es Sängerinnen und Sängern möglich ist, mit so einer Präzision und Klarheit in der Stimme ganze Hallen und Säle auszufüllen. Dies war auch bei Landshamer so, dass man sie nicht mal sprachlich verstehen musste – bei Glucks Stück war der Text auf italienisch – um zu erkennen, welche Emotion und welchen Inhalt sie gerade transportierte.

Musik und Körpersprache ergänzen sich perfekt

Zur Stimme hinzu kam auch hier wieder die Körpersprache, außerdem Gestik und besonders die Mimik, die die wunderbare Stimme zusätzlich trugen. Jeder Einsatz einer überraschend treibenden Melodie ging bei der Sängerin mit dem plötzlichen Heben der Augenbrauen und des Oberkörpers einher. Das Darstellen von Leichtigkeit und Freude wurde mit einem weichen, träumerischen Hin- und Herwiegen untermalt, gepaart mit weiten, sehnenden Blicken durch den Raum, über das Publikum hinweg. Wut und Anspannung waren durch geballte Fäuste, angezogene Arme und tief gesenkte Augenbrauen erkennbar. Auch Trauer und Resignation, sogar die Erregtheit und Entspannung in der Musik und Melodie waren in der Körperhaltung Landhamers sichtbar. Ein kleines Detail war auch auffällig: Je nachdem, wie wild oder ruhig die Musik gerade war, blätterte sie auch die Seiten ihrer Noten sanfter oder schmissiger um. Landshamer schaffte es so, die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Stücke auf eine gekonnte, sehr feinfühlige Art zu inszenieren, was allerdings nie ins Lächerliche oder Überdramatisierte kippte.

Mein Fazit

Die Begeisterung des Publikums war riesig – eine Begeisterung, die ich definitiv teile. Und das, ganz ohne dass ich im Alter für so ein scheinbares Rentnertreffen bin!