Im Musikunterricht wurde uns immer gesagt, dass sich Streichquartette wie Gespräche gestalten. Nach diesem Konzert können wir sagen: Die Musiklehrer*innen hatten Recht. Und wie sie das hatten…

Der Konzertabend „Freistil I“ beim Mozartfest Augsburg 2023 am 11. Mai begann mit dem „Amerikanischen Quartett“, einem Streichquartett von Antonin Dvorak, komponiert etwa um 1890 herum. Es begann schwungvoll und verspielt, mit Klängen, die einem das Gefühl gaben, hier, im Kleinen Goldenen Saal, würde die Sonne aufgehen. Klare und geschmeidig verzierte Melodien spielten die vier Musikerinnen und Musiker Sarah Christian und Johannes Strake an der Geige, Jano Lisboa an der Bratsche und Maximilian Hornung am Cello.

Sarah Christian

Kommunikation ohne Worte

Vergleicht man auch dieses Quartett mit einem Gespräch unter Menschen, so wird klar, wie Musiklehrer*innen auf solche Vergleiche kommen. Zunächst einmal war die Abstimmung der Vier untereinander bemerkenswert. Da es keinen Dirigenten gab, der die Einsätze anzeigen konnte, mussten die Musikerinnen und Musiker sich selbst untereinander „absprechen“. Da wurden Blicke ausgetauscht und sich gegenseitig eindringlich angesehen, bevor es dann zum Einsatz kommen sollte.

Festgequatscht im Streitgespräch

Aber an noch mehr Stellen passte der Vergleich zum Gespräch. So wechselten die Vier sich regelmäßig in der Sprecherrolle ab. Mal begann die erste Geige, mal die zweite, begleitet vom Rest der Gruppe, bis dann auch ab und an das Cello das Wort ergriff und mahnende Worte zu sprechen schien. Mal schien die Gruppe sich auch in einem wilden Streitgespräch festgequatscht zu haben, erregt und wütend schien man sich dort immer und immer wieder ins Wort zu fallen, bis sich die Leichtigkeit vom Anfang wieder einstellte. Um ein so wunderbar schönes Gewusel auf die Bühne zu bringen, braucht es natürlich auch Musiker*innen, die dementsprechend fähig sind, dem eigenen Instrument diese „Stimmen“ zu geben. Christian, Strake, Lisboa und Hornung haben das auf jeden Fall geschafft.

Maximilian Hornung
Maximilian Hornung

Lieblingsstücke mit Lieblingsgästen

Nach der Pause ging es weiter mit einer Variation aus den Lieblingsstücken der Künstlerinnen und Künstler, denn sie durften sich selbst ihre Stücke heraussuchen und dem Publikum präsentieren. Den Anfang machten Daniela Koch auf der Querflöte und Thorsten Johanns auf der Klarinette mit „The Chase“ von Olivier Truan. Und wie der Name des Stückes schon verrät, handelt es sich hier um ein musikalisches Fangspiel unter den einzelnen Instrumenten. Mal begann die Querflöte, mal die Klarinette. Das jeweils beginnende Instrument erarbeitete sich einen kleinen Vorsprung, der jedoch durch eine Aufholjagd des zweiten Instruments verkleinert und schließlich wettgemacht werden konnte. Schnellere und ruhigere Passagen wechselten sich ab, dazwischen hatten Koch und Johanns auch Zeit für eine eigene Improvisation. So konnten wir uns das Fangspiel auf jeden Fall sehr genau vor unserem inneren Auge vorstellen.

Geheimnisvolles Notizbuch

Die Fetzen flogen in dem temperamentvollen Stück „A scattered sketchbook“ des syrischen Klarinettisten Kinan Azmeh. Doch dabei ging es keinesfalls um einen Streit, sondern um ein ganz normales Notizbuch. Die Hauptmelodie des Stücks wurde von Thorsten Johanns auf der Klarinette gespielt, welcher von Sarah Christian an der Violine begleitet wurde. Das Stück begann langsam, und Musik und Titel erzeugten die Vorstellung eines geschlossenen Notizbuches, das im Freien auf einem Tisch liegt.

Das Notizbuch löst sich auf …

Nach einer ruckartigen Pause schien man einen aufkommenden Wind zu bemerken, der die Seiten des Notizbuchs zunächst sanft umspielte. Durch die nachfolgenden schnellen Abschnitte wurde aus dem kleinen Windhauch ein immer kräftiger werdender Windstoß, der das Notizbuch öffnete, durch die einzelnen Seiten fegte und sie schließlich komplett aus ihrem Einband riss. Der Höhepunkt des Stückes zerfetzte die Seiten in kleine Teile und wirbelte sie durch die Luft. In kleinen Pausen schienen die zerfetzten Seiten auf den Boden zu gleiten, nur um ohne Verschnaufpause mit dem nächsten frechen musikalischen Windstoß aufgescheucht und wiederholt in der Luft herumgewirbelt zu werden.

Da waren sie schon sechs

Eines der letzten Stücke war das „Sextett für Bläser und Klavier, 1. Satz: Allegro vivace“ von Francis Poulenc, gespielt von Thorsten Johanns auf der Klarinette, Zora Slokar auf dem Horn, Daniela Koch auf der Flöte, Giorgi Gvantseladze auf der Oboe, Philipp Zeller auf dem Fagott und Kiveli Dörken am Klavier. Poulenc fing mit diesem Stück die Atmosphäre von Frankreichs Metropole Paris im Jahr 1932 ein. Seine harmonische Musik erinnerte an gemütliche Abendspaziergänge durch die Parks und das Eintauchen in die kleinen Gassen der Großstadt. Die flotten Klänge spiegelten aber auch das hektische Chaos sowie das Gewusel der vielen Menschen wieder. Die wunderschöne Improvisation der Musikerinnen und Musiker ließ uns eintauchen in die Stadt der Liebe.

Zum Abschied tosender Applaus

So endete der Abend nach einer gemeinsamen Zugabe aller Musikerinnen und Musiker, die an diesem Abend ihr Können preisgegeben hatten, zurecht mit tosendem Applaus und Standing Ovations des begeisterten Publikums!