Im Zuge des Besuchs eines Konzerts mit der Jazzrausch BigBand in München führten wir ein exklusives Interview mit dem Bandleader und Posaunisten Roman Sladek. Er lieferte uns Einblicke in seine Denkweise über Musik und das Musikbusiness von heute.
Uns ist aufgefallen, dass bei Ihnen in der Band relativ wenige Mädels spielen. Woran liegt das?
„Ja, das ist richtig. Bei unseren Techno-Shows spielen meistens 15 Musiker mit, davon maximal 5 Mädels. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen liegt das natürlich an der Studienwahl. Während in meinem Musikmanagement – Studium überwiegend Frauen waren, studierten hingegen deutlich mehr Männer klassische und Jazzposaune. Zum anderen fällt mir persönlich immer auf, dass der Job als Bigband-Musiker manchen Mädels einfach zu heiß ist. Da wir rund 120 Konzerte pro Jahr spielen und immer von Monat zu Monat und von Projekt zu Projekt leben, haben wir als Freiberufler keine Absicherung, wonach jedoch die meisten Frauen streben. Jungs hingegen gehen mit einer „Wird schon klappen-Mentalität“ an die Sache heran. Ich persönlich versuche immer möglichst viele Mädels in die Band zu holen, um ein Gleichgewicht zu schaffen.“
Wie sind Sie denn zum Jazz gekommen?
„Wenn man Jazz als kreative Musik mit Improvisation bezeichnet, dann bin ich schon als Kind auf diese Musikrichtung gestoßen. Damals hat mich mein Vater ans Klavier gesetzt, ein paar Akkorde auf der Gitarre gespielt und mich dazu mit den weißen Tasten improvisieren lassen. Doch danach hab ich mich wieder davon entfernt und habe hauptsächlich Metal oder Hard-Metal-Schlagzeug gespielt. Mit 14 kam ich dann als Posaunist ins Landesjugendjazzorchester und habe mich intensiver mit dem Jazz beschäftigt. Gegen Ende meiner Schulzeit studierte ich als Jungstudent klassische Posaune, habe dann aber gemerkt, dass mir Rhythmik sehr wichtig ist und mich das im Jazz mehr erfüllt. Dadurch hab ich im Jazz meine musikalische Heimat gefunden und nicht in der Klassik. Zudem hatte ich das Gefühl, dass Klassik nur Spaß macht, wenn man saugut ist, und ich dachte , dass ich mit der Posaune vielleicht nicht in die Champions League komme. Da ist es mir dann lieber, mit meinen Jungs und Mädels durch die Welt zu reisen und nicht an ein Orchester gebunden zu sein.“
Wie kam es dazu, dass Sie mit der Bigband klassische Musik vertonen wie auf Ihrem Album „Beethoven‘s Breakdown“ ?
„Zum einen natürlich, weil ich klassische Musik studiert habe und weil es auch einfach affengeiles Zeug gibt. Zuerst hatten wir ja „Bruckners Breakdown“, der musikalisch getriggert war, weil einfach die Symphonien und Dubstep beides schwer triolische Breakdown-Musiken sind, da lag es einfach nahe, das zu kombinieren. Bei Beethoven war es so, dass nächstes Jahr Beethoven-Jubiläum ist und wir einfach aktuelle Themen verarbeiten wollen, um musikalisch relevant zu sein, und um in Zeitungen zu erscheinen. Ich versuche mich bei solchen Projekten nicht nur musikalisch triggern zu lassen, sondern aktuelle Anlässe zu verwenden – man merkt schnell, was z.B klappt und was nicht. Zudem bietet so etwas die Chance, junge Leute und ein breites Publikum zu erreichen.“
Wie sieht eine typische BigBand Probe bei Ihnen aus?
„Typisch ist, dass wir leider gar nicht mehr proben. Wir bekomme die Band einfach nicht jedes Mal zusammen. Wir proben deswegen häufig während des Soundchecks, oder, wenn ein neues Programm ansteht, dann mieten wir uns in einen Proberaum ein. Mittlerweile finden bei uns öfters Bühnenproben statt, da man dort ausprobieren muss, wie der Sound mit Monitoring ist oder wie weit man von seinem Platz nach vorne (für das Solo) zu laufen hat. Wir machen das deswegen, weil man nur das geil auf der Bühne wiedergeben kann, was man auch auf der Bühne geprobt hat. Wegen der ganzen unterschiedlichen Begebenheiten bei Konzerten helfen uns Proben, die nicht in der Konzert-Location stattfinden, nur begrenzt. Es ist einfach unumgänglich, in einem Konzert-Setup zu proben. Am liebsten würden wir uns immer schon einen Tag vor dem Konzert in die Location einmieten, um dort proben zu können, doch das ist aus finanziellen Gründen selten möglich.“
Was ist Ihr Lieblingsmusiker Witz?
„Geht ein Musiker an der Kneipe vorbei.
(Anm.d.Red.: Keiner lacht, Gruppe schaut etwas irritiert)
Das war schon der Witz.“
Was hören Sie privat für Musik?
„Das meiste, was ich höre, ist Techno, rein synthetische Musik – weil akustische Musik mache ich den ganzen Tag selbst. Zum anderen höre ich häufig unsere eigenen Platten, da ich oft im Studio bin, um diese zu verarbeiten. Manchmal höre ich mir auch gruselige, aktuelle und kommerziell erfolgreiche Musik an, um zu verstehen, was sie so erfolgreich macht. Ich hole mir von verschiedenen Genres Input, um typische Elemente dieser Richtungen für Crossover-Projekte zu verwenden. Das ist auch der Vorteil von Jazz als Kunstmusik, da man im Gegensatz zur Klassik keine so extremen Einschränkungen bezüglich der Klangästhetik hat und eigentlich machen kann, was man will. Und genau diesen Vorteil möchte ich nutzen, um Crossover-Projekte zu realisieren und darin auch in extremer Form Elemente anderer Genres zu verarbeiten.“
Sind die ganzen Musiker der Jazzrausch BigBand alle Berufsmusiker?
„Ja, die haben alle studiert, der Großteil auch in München. Zudem sind wir doppelt besetzt, was auch nötig ist bei ca. 120 Konzerten im Jahr, da man immer schauen muss, wer gerade Zeit hat. Bei den Konzerten sind wir immer so 15-20 Leute, jedoch haben wir 35 Leute im Kader, die selbstständig rotieren. Für manche ist die Jazzrausch BigBand ein wirtschaftlich zentrales Projekt, die spielen dann auch 80-90% der Shows – andere wiederum haben viele andere Projekte oder unterrichten. Manche komponieren auch für Film und Fernsehen.“
Funktionieren die Proben auf der Basis, dass jeder seinen Teil übt und man nur noch das Zusammenspiel probt?
„Das ist bei uns wie früher in der Schule, die, die eh schon gut sind, bereiten es vor und sind dann echt krass, die, die nicht so stark sind, die bereiten es auch nen Scheiß vor. Dann müssen wir es noch miteinander proben. Allerdings haben wir auch häufig Satzproben. Doch da gibt´s auch Leute, die das triggern und sagen, „Hast du Zeit?“, und dann gibt´s Leute, die warten, bis sie jemand fragt. Aber die wird´s immer geben. Ich dachte früher, wenn es richtig um Kohle geht und wir in z.B. der Philharmonie spielen, wird das alles professioneller, aber eigentlich bleibt es gleich. Die, die mitziehen, haben schon von Anfang an mitgezogen und die, die sich denken, es reicht, wenn ich cool bin (da gibt es in der Band auch mindestens 30%), die denken sich das auch vor 10.000 Leuten. Die checken dann auf der Bühne auch nicht, was grade gewesen ist. Und um organisatorische Probleme zu vermeiden, nehme ich auch die Noten mit. Wenn ich die ausgeben würde, wäre die Hälfte nicht da. Genauso mit Krawatten, da hab ich auch 15 gekauft, damit alle da sind.“
Warum haben Sie die Jazzrausch BigBand gegründet?
„Zuerst hatte ich eine Konzertreihe, weil ich merkte, dass mein Umfeld schon Bock auf die Musik hat, aber sie halt währenddessen in Nachtclubs gehen und trinken wollen. Deswegen musste ich quasi „zu ihnen kommen“ und in Clubs spielen. Später wurden wir dann die Hausband im „Harry Klein“, was auch einige Vorteile mit sich brachte bezüglich einer entstehenden Identität.“
Sind Sie mit Ihren Bandkollegen befreundet?
„Am Anfang spielte ich hauptsächlich mit Freunden, was aber irgendwann schwierig wurde. Wenn man ein hohes Level erreichen will, muss man das freundschaftliche in ein kollegiales Verhältnis verwandeln. Ich als Bandleader muss Dinge kommunizieren, die auf freundschaftlicher Basis verletzen könnten. Deshalb müssen wir ein Level erreichen, das unabhängig von Freundschaften ist und zum Beispiel einfach nur ein normales Verhältnis zwischen Bandleader und Posaunist ist und nicht zwischen zwei Freunden. Dies ist sehr schwierig, und daran zerbrechen auch einige Bands.“
Können Sie auch mal die Mitglieder der Band austauschen ? Oder ist dann immer jemand sauer?
„Ja, das kann ich schon, doch das hinterlässt auch immer Spuren. Ich muss auch immer schauen, wie ich etwas sage und was ich danach mache. Doch bei so etwas hab ich in den letzten Jahren viel dazugelernt. Man muss es auch immer schaffen, dass die Leute danach noch mit einem spielen wollen. Es ist wichtig, wie man auf lange Sicht mit den Leuten umgeht. Die besten Musiker sind auch nicht immer die, die die Band am Leben halten. Es gibt auch einige, die zwar keine Soli spielen, aber beim Abbauen helfen, wo die anderen schon weg sind. Die sind genauso entscheidend, dass die Band länger existiert. Die besten Musiker sind nicht immer die wichtigsten, doch auch die wichtigsten Charaktere sind nicht immer die besten Musiker. Man muss dabei immer eine gute Mischung finden.“
Der Einsiedler und 2Beers
Schreibe einen Kommentar